Dynamik komplexer Systeme - Mechanische Oszillatoren

Mechanische Oszillatoren

Zur Untersuchung der elastischen Eigenschaften ungeordneter Festkörper bei niedrigen Frequenzen werden in unserer Arbeitsgruppe verschiedene mechanische Oszillatoren verwendet. Das Prinzip dieser Messungen beruht darauf, Eigenfrequenz f und Güte Q eines Oszillators zu bestimmen, der entweder aus dem Probenmaterial selbst gefertigt ist oder aber als Substrat für einen darauf aufgedampften Film fungiert. Damit lassen sich Informationen über die elastischen Konstanten und deren Änderungen, z.B. als Funktion der Temperatur, sowie über Dämpfungsmechanismen, die im Material erfolgen, gewinnnen. Die bei uns hauptsächlich verwendeten Techniken sind das sog. "Vibrating Reed" (schwingendes Plättchen) sowie der "Double Paddle-Oszillator"; beide Methoden sollen im folgenden kurz erläutert werden.

Beim Vibrating Reed-Experiment wird ein kleines Plättchen des Probenmaterials - typische Abmessungen sind 10 mm Länge, 3 mm Breite und 0,3 mm Dicke - an einem Ende zwischen zwei Kupferbacken eingeklemmt, während das andere Ende frei ist und zu Schwingungen angeregt werden kann.


      
Bild 4: Prinzipbild des Aufbaus eines Vibrating Reed-Experiments. Neben dem Probenplättchen sind auch die beiden Elektroden auf der Vorder- und Rückseite der Probe dargestellt, die zur elektrostatischen Anregung und Detektion verwendet werden. Der Elektrodenabstand ist der Übersichtlichkeit halber stark übertrieben dargestellt; er beträgt üblicherweise lediglich etwa 0,1 mm.




Die Eigenfrequenz der Grundmode eines solchen einseitig eingespannten Plättchens ist gegeben durch f0 = 0.1615 (d / L2) vY, wobei L die Länge und d die Breite der Probe bezeichnen. Die Frequenz ist also proportional zur Schallgeschwindigkeit vY = (Y / r)1/2, mit dem Youngschen Modul Y und der Massendichte r. Zu beachten ist, dass bei den Biegeschwingungen eines Reeds eine Mischung aus longitudinaler und transversaler Verzerrung auftritt, deren relative Gewichtung vom Poissonverhältnis des Probenmaterials abhängt. Typische Frequenzen der Grundmode liegen im Frequenzbereich von 100 Hz bis 10 kHz. Die erste Oberschwingung weist eine um etwa den Faktor 6,3 und die zweite Oberschwingung um den Faktor 17,5 höhere Frequenz auf; die Oberschwingungen sind also keine Harmonischen der Grundmode.

Ein wesentlicher Vorteil der Vibrating Reed-Methode liegt in der einfachen Probengeometrie. Nachteilig ist allerdings, dass, wie die nachfolgende Abbildung 5 zeigt, die maximale Verzerrung gerade an der Einspannungsstelle auftritt, so dass diese stets leicht mitdeformiert wird. Dies kann zu Energieverlusten führen, die sich in einem relativ hohen Dämpfungsuntergrund Q-1 der Größenordnung 10-5 bemerkbar machen. Zudem sind die Amplituden der Oberschwingungen im Vergleich zu der der Grundmode sehr klein, so dass meistens nur bei einer Frequenz, nämlich der Grundmode, sinnvoll gemessen werden kann.


      
Bild 5: Darstellung der drei ersten Schwingungsmoden eines einseitig eingespannten schwingenden Plättchens. Farbkodiert ist als Ergebnis einer Finite-Elemente-Rechnung die Verzerrung dargestellt, wobei Rot die größten und Blau die geringsten Verzerrungsamplituden darstellt. An der Einspannstelle treten bei allen Moden die größten Verzerrungen auf.




Eine in mehrerer Hinsicht günstigere experimentelle Anordnung ist der sogenannte Double Paddle Oszillator, dessen Aufbau in Abb. 6 dargestellt ist.


      
Bild 6: Aufbau des Double Paddle-Experiments. Der (in der Zeichnung silberfarbene) Oszillator ist ähnlich wie beim Vibrating Reed-Experiment am Fuß mit einer Kupferbacke an einen Sockel geklemmt. Die Elektroden zur Anregung und Detektion der Schwingungen befinden sich hinter den "Flügeln" des Oszillators.




Das Double Paddle verfügt über ein wesentlich reichhaltigeres Modenspektrum; neben verschiendenen Biegeschwingungen treten auch Torsionsschwingungen auf. Somit sind Messungen bei verschiedenen Frequenzen und elastischen Polarisationen möglich. Die sieben am einfachsten anzuregenden Schwingungsmoden, geordnet nach aufsteigender Frequenz, sind in Abb. 7 zusammengestellt. Zu beachten ist, dass speziell bei den höherfrequenten Moden relativ geringfügige Änderungen der Geometrie merkliche Änderungen in der Verzerrungsverteilung und u.U. sogar in der Reihenfolge der Schwingungsfrequenzen bewirken können.




       
Bild 7: Modenspektrum des Double Paddle-Oszillators, berechnet mit einem Finite-Elemente-Programm. Farbkodiert dargestellt ist die Verzerrung, wobei wiederum Rot die größten und Blau die geringsten Verzerrungsamplituden darstellt. Durch Anklicken der Einzelbilder lassen sich Animationen der Schwingungen starten.


zum Seitenanfang